Arbeitsgruppe Populationsgenomik
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Nachhaltige Tierzucht

Die Tierzucht ist die vom Menschen kontrollierte und gezielte Paarung von Elterntieren, die einem bestimmten Zuchtziel entsprechen, mit der Absicht, möglichst die erwünschten Merkmale beider Eltern auf den Nachwuchs zu übertragen bzw. ungewollte zu unterdrücken. Diese Einflussnahme auf die genetische Architektur der domestizierten Tierarten dient dazu, eine Haustierpopulation an die jeweiligen Nutzungsansprüche, Produktionssysteme und Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft optimal anzupassen.

Dabei sind nicht alle Bedürfnisse einzelner Personen oder gar Gesellschaften im Sinne der Nachhaltigkeit gerechtfertigt. Nachhaltigkeit wurde definiert als eine gesellschaftliche Entwicklung, die den Bedürfnissen der jetzigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen (Brundtland Report 1987). Diese erste und enorm wichtige Definition der Nachhaltigkeit befindet sich im Wandel von einer homozentrischen Definition, die menschliche Bedürfnisse im Fokus hatte, hin zur Erhaltung der Erde als Ökosystem (Steffen et al 2015). Diese Entwicklung läuft parallel zur gegenwärtigen Entwicklung der westeuropäischen Gesellschaften von den ehemals mehrheitlich anthropozentrischen Anschauungen hin zu immer mehr biozentrischen Gesellschaften, welche vermehrt auch die Bedürfnisse anderer Lebewesen (Tiere) bzw. Ökosysteme berücksichtigen. Das führt dazu, dass sich Zuchtziele und Zuchtmaßnahmen basierend auf unterschiedlichen materiellen und ethischen Wertvorstellungen in verschiedenen Gesellschaften, aber auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb einer Gesellschaft, unterscheiden können.

Die Evolution zeigt, dass ein langfristiges Bestehen von Populationen (Nutztierrassen) oder Spezies wie auch gesamter Ökosysteme einen Balanceakt zwischen kurzfristiger Anpassung an die gegenwärtigen Umweltbedingungen (Rahmenbedingungen) auf der einen und langfristig möglichst uneingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten für die nicht vorhersehbare Zukunft auf der anderen Seite darstellt. Aus der Evolution wird ebenfalls deutlich, dass dieses langfristige Bestehen sehr stark von der Komplexität, d.h. der genetischen Vielfalt abhängt. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass sich die Tierzucht seit jeher als genetisches Ressourcenmanagement versteht und die Vereinheitlichung des Genpools unter keinen Umständen tierzüchterisches Ziel ist. Vielmehr ist für eine nachhaltige Entwicklung die Erhaltung der genetischen Vielfalt ein ebenso großes Anliegen der Tierzucht wie die Optimierung des Genpools von Haustieren zum Wohle von Mensch und Tier.

Für die Tierzucht an einer Tierärztlichen Fakultät liegt ein Hauptschwerpunkt der Aufgabenstellung darin, Wege aufzuzeigen, wie neben rein wirtschaftlichen Merkmalen (kurzfristiger Anpassung an die gegenwärtigen Rahmenbedingungen) auch für eine langfristige, nachhaltige Entwicklung grundlegende Gesichtspunkte, wie z.B. Erhaltung der neutralen genetischen Diversität, Tierwohl und vor allem Fruchtbarkeit und erbliche Gesundheit, bei jeder Zuchtzielgestaltung verantwortungsvoll berücksichtigt werden können.